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Den Rauschenberg zurückgewinnen

Naturschutz und Kampfmittelräumung arbeiten Hand in Hand

Stück für Stück arbeiten sich Kampfmittelräumer seit Anfang 2021 am Rauschenberg in Hessen voran. 27 Hektar Wald werden sie in den kommenden Monaten sondieren. Ohne die Hilfe eines Artenschützers kämen sie kaum voran.

Das Naherholungsgebiet in der Nähe von Fulda hat bei den Menschen in der Region einen hohen Stellenwert. „Der Rauschenberg ist für unsere Gemeinde, aber auch für die ganze Stadtregion Fulda ein sehr wichtiges Ausflugsziel“, sagt Sebastian Kircher, Pressesprecher der Gemeinde Petersberg. Da das Waldgebiet, mit zahlreichen Spazierwegen, nah an verschiedenen Wohngebieten liege, sei es gerade in Corona-Zeiten eigentlich ein wichtiger Anlaufpunkt. Doch erst wenn es wieder frei von Kampfmitteln ist, dürfen Spaziergänger und Sportler das Waldgebiet wieder frei betreten.

Nachdem Bauarbeiter im Herbst 2017 scharfe Munition aus dem Zweiten Weltkrieg unter der Erdoberfläche des Rauschenbergs gefunden hatten, wurde das Waldgebiet gesperrt. „Durch die Nähe des Rauschenbergs zum Hauptbahnhof Fulda ist bekannt, dass diese Region stark bombardiert wurde“, sagt Kircher und er ergänzt: „Dass die Gefahren allerdings so nah liegen, war eine Überraschung.“

Munition lässt sich beseitigen. Und das lässt sich gut planen. Schwierig kann das jedoch werden, wenn zusätzliche Probleme auftauchen. So wie am Rauschenberg im Jahr 2019. Der Wald wurde krank. So krank, dass er für die Menschen zusätzlich zur Gefahr wurde. „Plötzlich waren nicht nur die Kampmittel ein Problem, sondern auch instabile Bäume.“ Die Gemeinde sperrte daraufhin das gesamte Waldgebiet. Übrig blieb nur der Rundwanderweg um den Rauschenberg – ein asphaltierter Weg, weit genug entfernt von den betroffenen Bäumen.

Um das beliebte Ausflugsgebiet schnellstmöglich wieder zugänglich zu machen, mussten die Verantwortlichen einen noch detaillierteren Plan entwickeln, als ursprünglich angedacht. Die Herausforderung dabei: die Balance zwischen Kampfmittelräumung und Naturschutz zu finden. „Denn beide Komponenten bedingen sich“, erklärt Kircher. „Die Kampfmittelräumer konnten nicht in den Wald wegen möglicher Gefahren durch die Bäume. Die Förster nicht wegen der Blindgänger.“ Eine intensive Projektplanung startete. „Es war nicht einfach, entsprechende Partner für dieses Projekt zu finden“, so Sebastian Kircher.

Doch jetzt geht es voran. Und es geht Hand in Hand. Um die artenschutzgerechte Umsetzung kümmert sich Matthias Müller. Regelmäßig ist der und Naturschützer auf dem Areal unterwegs und verschafft sich einen Überblick. Denn Flora und Fauna geben die Herangehensweise vor. „Da sich die Arbeiten über eine lange Zeit ziehen, müssen wir den Rhythmus der Tiere zu den verschiedenen Jahreszeiten beachten“ erklärt Matthias Müller. Der 57-Jährige ist selbstständiger Arten- und Naturschutzgutachter und studierter Biologe. Er kennt den Rauschenberg und weiß, dass dort Tiere leben, die unter die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fallen. „Beispielsweise die Haselmaus oder verschiedene Fledermausarten.“ Aus Rücksicht auf sie steht der Biologe in engem Kontakt mit dem Bauleiter. Wir schauen, wo Hecken entfernt werden müssen, damit die Sondierungsarbeiten für die Kampfmittelräumung möglich sind und schaffen entsprechend neue Rückzugsorte.“ Reisighaufen und Benjeshecken bieten sich dafür an.

Auf der anderen Seite kommt Müllers Tätigkeit auch den Bauarbeitern zugute. Er hat für sie alle Bäume markiert, die von der Buchenkomplexkrankheit betroffen sind. Dadurch wissen die Kampfmittelräumer, wo Vorsicht geboten ist. „Es ist ein sehr komplexes Projekt, das die gesamte Ökologie des Rauschenbergs im Blick hat und nur im engen Austausch miteinander funktioniert“, betont Müller. Er freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit den Kampfmittelräumern in den kommenden Monaten und ist sich sicher: „Stück für Stück werden wir den Rauschenberg wieder zurückgewinnen.“ Für die Menschen in der Region ist das eine gute Nachricht.

Fotos: Gemeinde Petersberg, David Nüchter (Hessen Forst)